Schimmel in der Mietwohnung ist ein häufiges und ernstzunehmendes Problem. Er beeinträchtigt nicht nur die Wohnqualität, sondern kann auch die Gesundheit der Bewohner gefährden. Für Mieter stellt sich in solchen Fällen die Frage, wie sie ihre Rechte durchsetzen können, insbesondere im Hinblick auf eine Mietminderung. Der folgende Beitrag beleuchtet umfassend die rechtlichen Möglichkeiten, das richtige Vorgehen, die aktuelle Rechtsprechung, die Beweislastverteilung nach der Sphärentheorie, das selbständige Beweisverfahren, die Rolle von Gutachten und die Kostentragung im Streitfall.
1. Schimmel als Mietmangel – Wann liegt ein Minderungsrecht vor?
Schimmelbefall in der Wohnung stellt grundsätzlich einen Mangel der Mietsache dar. Ein Mangel liegt immer dann vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Wohnung von der vertraglich vereinbarten oder der üblichen Beschaffenheit abweicht und dadurch die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt ist. Schimmel ist regelmäßig ein solcher Mangel, da er die Wohnqualität mindert und gesundheitliche Risiken birgt.
Die Rechtsprechung ist sich einig, dass bereits der bloße Befall mit Schimmel – unabhängig von einer konkreten Gesundheitsgefährdung – einen Mangel darstellt, der zur Mietminderung berechtigt. Dies gilt auch dann, wenn der Schimmelbefall nur optisch störend ist.
2. Die richtige Vorgehensweise bei Schimmelbefall
a) Mangelanzeige
Der erste Schritt für den Mieter ist die unverzügliche Anzeige des Mangels beim Vermieter. Die Anzeige sollte schriftlich erfolgen und den Schimmelbefall möglichst genau beschreiben (Ort, Ausmaß, ggf. Fotos beifügen). Nur so kann der Vermieter reagieren und Abhilfe schaffen.
b) Fristsetzung zur Mangelbeseitigung
Der Mieter sollte dem Vermieter eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen. Was als angemessen gilt, hängt vom Einzelfall ab, in der Regel sind 14 Tage ausreichend, bei gravierenden Fällen kann auch eine kürzere Frist angemessen sein.
c) Mietminderung
Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter Kenntnis vom Mangel hat, ist der Mieter berechtigt, die Miete zu mindern. Die Höhe der Minderung richtet sich nach dem Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung. Die Rechtsprechung hat hierzu zahlreiche Einzelfallentscheidungen getroffen, die als Orientierung dienen können. Beispielsweise wurde bei Schimmelbefall in mehreren Räumen eine Minderung von 20 bis 30 Prozent als angemessen angesehen.
d) Dokumentation
Der Mieter sollte den Schimmelbefall und die Kommunikation mit dem Vermieter sorgfältig dokumentieren. Fotos, Zeugen und ein Schimmeltagebuch können im Streitfall entscheidend sein.
3. Beweislastverteilung und die Sphärentheorie
Ein zentraler Punkt im Streit um die Mietminderung ist die Frage, wer für den Schimmelbefall verantwortlich ist. Hier kommt die sogenannte Sphärentheorie ins Spiel.
a) Grundsatz der Sphärentheorie
Nach der Sphärentheorie liegt die Beweislast zunächst beim Mieter: Er muss den Mangel (Schimmelbefall) und dessen Auswirkungen darlegen und beweisen. Der Mieter muss jedoch nicht beweisen, dass der Mangel auf einem Verschulden des Vermieters beruht.
Hat der Mieter den Mangel substantiiert dargelegt, muss der Vermieter beweisen, dass die Ursache des Schimmels aus dem Verantwortungsbereich des Mieters stammt, etwa durch falsches Lüftungs- oder Heizverhalten. Gelingt dem Vermieter dieser Nachweis nicht, bleibt er für den Mangel verantwortlich.
Die Rechtsprechung betont, dass der Mieter nicht darlegen muss, warum der Schimmel entstanden ist, sondern nur, dass er vorhanden ist und die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt (vgl. LG Berlin, Urteil vom 30.01.2018, 67 S 356/17).
b) Typische Streitpunkte
Häufig behaupten Vermieter, der Schimmel sei auf das Verhalten des Mieters zurückzuführen. Hier ist es wichtig, dass der Mieter sein Lüftungs- und Heizverhalten dokumentiert, um sich gegen solche Vorwürfe zu verteidigen.
4. Das selbständige Beweisverfahren
a) Zweck und Ablauf
Das selbständige Beweisverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das der Sicherung von Beweisen dient, bevor ein Hauptsacheverfahren (z.B. auf Mietminderung oder Schadensersatz) eingeleitet wird. Es eignet sich besonders bei Schimmelbefall, da die Ursachen oft umstritten sind und der Zustand der Wohnung sich schnell verändern kann.
Der Mieter (oder auch der Vermieter) kann beim zuständigen Gericht beantragen, ein selbständiges Beweisverfahren durchzuführen. Das Gericht bestellt dann einen Sachverständigen, der die Ursache des Schimmels und das Ausmaß des Befalls begutachtet.
b) Vorteile
- Beweissicherung: Der aktuelle Zustand wird dokumentiert, bevor Veränderungen eintreten.
- Gutachten: Das Gutachten kann im späteren Hauptsacheverfahren verwendet werden.
- Vergleichsmöglichkeiten: Oft führt das Gutachten zu einer außergerichtlichen Einigung.
c) Kosten
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens trägt zunächst der Antragsteller. Im Hauptsacheverfahren werden die Kosten dann der unterliegenden Partei auferlegt. Hat der Mieter das Verfahren eingeleitet und bestätigt das Gutachten einen Mangel, kann er die Kosten im Rahmen des Hauptsacheverfahrens auf den Vermieter abwälzen.
5. Gutachten im Klageverfahren
a) Beweisantritt im Prozess
Kommt es zum Prozess, kann jede Partei die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen, um die Ursache des Schimmels und das Ausmaß der Beeinträchtigung zu klären. Das Gericht entscheidet dann, ob ein Gutachten eingeholt wird.
b) Bedeutung des Gutachtens
Das Gutachten ist für das Gericht regelmäßig die entscheidende Grundlage für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, wie gravierend dieser ist und wer für die Ursache verantwortlich ist.
c) Kosten
Die Kosten für das Gutachten trägt zunächst die Partei, die das Gericht dazu verpflichtet. Im Urteil werden die Kosten dann der unterliegenden Partei auferlegt.
6. Ablauf des gerichtlichen Verfahrens
a) Klageerhebung
Will der Mieter die Mietminderung durchsetzen oder Schadensersatz verlangen, kann er Klage beim zuständigen Amtsgericht erheben. In der Klageschrift sollte der Mangel genau beschrieben, die Minderungshöhe beziffert und die bisherigen Bemühungen zur Mangelbeseitigung dargelegt werden.
b) Schriftsatzwechsel
Nach Zustellung der Klage erhält der Vermieter Gelegenheit zur Stellungnahme. In der Regel folgt ein Schriftsatzwechsel, in dem beide Seiten ihre Argumente und Beweise vortragen.
c) Beweisaufnahme
Bestreitet der Vermieter den Mangel oder dessen Ursache, ordnet das Gericht in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Der Sachverständige besichtigt die Wohnung und erstellt ein Gutachten.
d) Urteil
Das Gericht entscheidet auf Grundlage des Gutachtens und der vorgelegten Beweise. Wird dem Mieter Recht gegeben, wird die Mietminderung bestätigt und der Vermieter zur Rückzahlung überzahlter Miete oder zur Beseitigung des Mangels verurteilt.
7. Kostengesichtspunkte und Kostentragung
a) Grundsatz
Im Zivilprozess trägt grundsätzlich die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens, also Gerichts- und Anwaltskosten sowie die Kosten für Sachverständige.
b) Kostenerstattung bei Mietminderung
Setzt der Mieter seine Mietminderung erfolgreich durch, kann er die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten für ein selbständiges Beweisverfahren oder ein Gutachten, auf den Vermieter abwälzen.
c) Teilweises Obsiegen
Obsiegt der Mieter nur teilweise (z.B. wird eine geringere Mietminderung als beantragt zugesprochen), werden die Kosten anteilig verteilt.
d) Außergerichtliche Kosten
Auch außergerichtliche Kosten, wie die Kosten für eine anwaltliche Beratung oder die Erstellung eines Privatgutachtens, können unter Umständen erstattungsfähig sein, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.
8. Aktuelle Rechtsprechung zur Mietminderung bei Schimmel
Die Gerichte haben in den letzten Jahren zahlreiche Urteile zur Mietminderung bei Schimmel gefällt. Einige Grundsätze lassen sich aus der Rechtsprechung ableiten:
- Mangelanzeige genügt: Der Mieter muss nur den Mangel anzeigen und nicht die Ursache beweisen (LG Berlin, Urteil vom 30.01.2018, 67 S 356/17).
- Beweislast für Nutzerverhalten: Der Vermieter muss beweisen, dass der Schimmel auf das Verhalten des Mieters zurückzuführen ist (LG Berlin, Urteil vom 30.01.2018, 67 S 356/17).
9. Praktische Tipps für Mieter
- Sofortige Anzeige: Schimmelbefall umgehend und schriftlich dem Vermieter melden.
- Dokumentation: Fotos, Zeugen und ein Schimmeltagebuch führen.
- Fristsetzung: Dem Vermieter eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen.
- Mietminderung: Die Miete ab Kenntnis des Vermieters mindern, aber nicht eigenmächtig zu stark kürzen.
- Beweissicherung: Bei Streit über die Ursache ein selbständiges Beweisverfahren einleiten.
- Rechtsberatung: Im Zweifel anwaltlichen Rat einholen, um Fehler zu vermeiden.
10. Fazit
Schimmel in der Mietwohnung ist ein ernstzunehmender Mangel, der zur Mietminderung berechtigt. Mieter sollten den Mangel umgehend anzeigen, dokumentieren und dem Vermieter eine Frist zur Beseitigung setzen. Kommt es zum Streit über die Ursache, ist die Beweislastverteilung nach der Sphärentheorie zu beachten: Der Mieter muss den Mangel beweisen, der Vermieter die Ursache im Verantwortungsbereich des Mieters. Das selbständige Beweisverfahren bietet eine effektive Möglichkeit zur Beweissicherung. Im Prozess ist das Sachverständigengutachten regelmäßig entscheidend. Die Kosten des Verfahrens trägt grundsätzlich die unterliegende Partei, sodass Mieter bei berechtigter Mietminderung nicht auf den Kosten sitzen bleiben.
Die aktuelle Rechtsprechung stärkt die Rechte der Mieter und stellt klar, dass bereits der Nachweis des Mangels genügt, um eine Mietminderung zu rechtfertigen. Wer als Mieter die genannten Schritte beachtet, ist rechtlich auf der sicheren Seite und kann seine Ansprüche effektiv durchsetzen.